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Fundamina
On-line version ISSN 2411-7870Print version ISSN 1021-545X
Fundamina (Pretoria) vol.20 n.1 Pretoria Jan. 2014
Pfandrecht und Niessbrauch - Mehrfachbestellung und Konvaleszenz beschränkter dinglicher Rechte im römischen, im gemeinen und im geltenden Recht
Peter Gröschler
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Römisches Recht, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
ABSTRACT
The convalescence of defective transfers of property interests is a long-discussed problem in Roman law. Through a comparative analysis of nineteenth-century ius commune and modern German civil-law principles, this article proposes novel insights into the classical Roman understanding of property interests. It also shows how related ius commune usufructuary concepts support a new perspective on convalescence. In doing so, this analysis revolves around a central question: If an in rem interest may be validly transferred only once, but has been transferred defectively, under what circumstances can the invalid transfer convalesce?
Die Pfandrechtskonvaleszenz im römischen Recht ist seit jeher ein vieldiskutiertes Problem. Der vorliegende Beitrag versucht, durch einen Vergleich mit dem gemeinen und dem geltenden Recht, zu neuen Erkenntnissen auch für das klassische römische Recht zu gelangen. Dazu muss der Untersuchungsgegenstand, was das gemeine Recht betrifft, auf den Nießbrauch ausgedehnt werden. Kernfrage ist, wie die Konvaleszenz bei beschränkten dinglichen Rechten, die nur ein einziges Mal wirksam bestellt werden können, zu bewerten ist.
1. Die Pfandrechtskonvaleszenz nach Julian und Afrikan
Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet das römische Recht, und zwar die altbekannte Afrikan- bzw. Julianstelle zur Pfandrechtskonvaleszenz:
D. 20.4.9.3 Afr. 8 quaest.
Titia praedium alienum Titio pignori dedit, post Maevio: deinde domina eius pignoris facta marito suo in dotem aestimatum dedit. si Titio soluta sit pecunia, non ideo magis Maevii pignus convalescere placebat. tunc enim priore dimisso sequentis confirmatur pignus, cum res in bonis debitoris inveniatur: in proposito autem maritus emptoris loco est: atque ideo, quia neque tunc cum Maevio obligaretur neque cum Titio solveretur in bonis mulieris fuerit, nullum tempus inveniri, quo pignus Maevii convalescere possit, haec tamen ita, si bona fide in dotem aestimatum praedium maritus accepit, id est si ignoravit Maevio obligatum esse.
Es ist davon auszugehen, dass Afrikan hier eine Entscheidung seines Lehrers Julian referiert und dazu möglicherweise selbst kritisch Stellung nimmt. Der in der Stelle geschilderte Sachverhalt und die Entscheidung des Juristen, hier Julians, stellen sich wie folgt dar:
Titia hat ein fremdes Grundstück zweifach verpfändet, nämlich zuerst an Titius und anschließend an Maevius. Im Anschluss daran erwarb sie das Eigentum an dem Grundstück und übertrug es an ihren Ehemann als Mitgift, und zwar als dos aestimata, also mit der Verpflichtung zur Rückgewähr des festgelegten Schätzwerts bei Beendigung der Ehe1. Julian, auf den hier Afrikan mit placebat Bezug nimmt, war der Auffassung, dass es auch dann, wenn Titia ihre Schuld gegenüber Titius begleicht, nicht zur Konvaleszenz des Pfandrechts des Maevius kommt.
Die Erklärung, die wohl ebenfalls auf Julian zurückgeht, lautet wie folgt: Aufgrund der Befriedigung des ersten Gläubigers (priore dimisso) komme es nur dann zum Erstarken des Pfandrechts des nachfolgenden Gläubigers, wenn die Sache im bonitarischen Eigentum des Schuldners stehe, hier also der Titia. Im vorliegenden Fall nehme aber im maßgeblichen Zeitpunkt bereits der Ehemann die Rechtsstellung eines Käufers ein (emptoris loco est)2. Im Zeitpunkt der Befriedigung des Titius ist also bereits Titias Ehemann Eigentümer des Grundstücks. Da das Grundstück weder im Zeitpunkt der Verpfändung an Maevius noch im Zeitpunkt der Zahlung an Titius im bonitarischen Eigentum der Titia gestanden habe, gebe es - so Julian - keinen Zeitpunkt, zu dem das Pfandrecht des Maevius hätte konvaleszieren können. Im letzten Satz der Stelle findet sich die Einschränkung, dass dies nur dann gelte, wenn der Ehemann das Grundstück gutgläubig als Mitgift übertragen erhielt. Dazu sei erforderlich, dass der Ehemann nicht wusste, dass das Grundstück dem Maevius verpfändet war.
Die nachfolgenden Überlegungen basieren, was das römische Recht betrifft, im Wesentlichen auf den Untersuchungen von Schanbacher3. Erst soll die Verpfändung an Titius betrachtet werden, dann die Verpfändung an Maevius. Da Titia an Titius ein fremdes Grundstück verpfändet hat, konnte Titius zunächst kein wirksames Pfandrecht erwerben. Die wirksame Verpfändung setzt voraus, dass der Pfandgegenstand im bonitarischen Eigentum des Verpfänders steht. Die Klagformel der actio Serviana, die nachfolgend in der Rekonstruktion Lenels wiedergegeben ist, setzt das in bonis esse der Pfandsache voraus4:
Si paret inter Aulum Agerium et Lucium Titium convenisse, ut ea res qua de agitur Aulo Agerio pignori esset propter pecuniam debitam, eamque rem tunc, cum conveniebat, in bonis Lucii Titii fuisse eamque pecuniam neque solutam neque eo nomine satisfactum esse neque per Aulum Agerium stare quo minus solvatur, nisi ea res arbitrio iudicis restituetur, quanti ea res erit, tantam pecuniam iudex Numerium Negidium Aulo Agerio condemnato; si non paret, absolvito.
Mit dem späteren Eigentumserwerb der Titia (deinde domina eius pignoris facta) kommt es zur Konvaleszenz des Pfandrechts des Titius. Zwar kennt das ius civile nicht die Möglichkeit der Konvaleszenz unwirksamer Geschäfte, sondern es gilt:
D. 50.17.29 Paul. 8 ad Sab.
Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere.
Zur Konvaleszenz des Pfandrechts kommt es aber nach prätorischem Recht. Der Prätor gewährt dem Pfandgläubiger eine actio Serviana utilis mit abgewandelter Klagformel: An die Stelle des bonitarischen Eigentums des Verpfänders zum Zeitpunkt der Verpfändung tritt der nachträgliche Erwerb des bonitarischen Eigentums5.
Dass das Pfandrecht des Titius mit dem Eigentumserwerb der Titia konvalesziert, wird in unsere Digestenstelle (fr. 9.3) nicht ausdrücklich gesagt, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt. Mit dem Ausdruckpriore dimisso wird auf das Erlöschen des Pfandrechts des Titius aufgrund der Befriedigung, also aufgrund des Erlöschens der gesicherten Forderung, hingewiesen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Pfandrecht vor der Zahlung wirksam gewesen sein muss. Durch die Übereignung des Grundstücks an den Ehemann wird das zuvor konvaleszierte Pfandrecht des Titius nicht beeinträchtigt. Einen gutgläubiger lastenfreien Erwerb kennt das römische Recht nicht. Die Regel, wonach niemand mehr Rechte auf einen anderen übertragen kann, als er selbst hat6, gilt auch im Hinblick auf beschränkte dingliche Rechte wie das Pfandrecht, die zu einer Schmälerung der Berechtigung des Eigentümers führen würden.
Was die zweite Verpfändung, nämlich die zugunsten des Maevius, betrifft, fehlte es zum Zeitpunkt der Pfandrechtsbestellung - wie schon bei der Bestellung des Pfandrechts für Titius - an der Berechtigung der Verpfänderin Titia, da sich das Grundstück zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ihrem bonitarischen Eigentum befand. Mit dem späteren Eigentumserwerb der Titia konvalesziert nach Ansicht Julians zwar das Pfandrecht des Titius, nicht aber das des Maevius. Für das zweite Pfandrecht, also das des Maevius, soll es auf den Zeitpunkt des Ausscheidens des Titius, also auf den Zeitpunkt des Erlöschens des ersten Pfandrechts, ankommen (tunc enim priore dimisso sequentis confirmatur pignus, cum res ...).
Wie lässt es sich erklären, dass es für das Pfandrecht des Maevius auf einen späteren Zeitpunkt ankommen soll als für das des Titius? Nach der traditionellen Auffassung, die immer noch die herrschende ist, soll das Pfandrecht des Maevius nicht als zweitrangiges Pfandrecht bestellt worden sein, sondern als aufschiebend bedingtes Pfandrecht7.
Dabei wird allerdings nicht immer ganz deutlich, ob eine von den Parteien, also von Titia und Maevius, gesetzte rechtsgeschäftliche Bedingung gemeint ist oder lediglich eine Rechtsbedingung in dem Sinne, dass der Wegfall des ersten Pfandrechts rechtliche Entstehungsvoraussetzung für das zweite Pfandrecht ist. In beiden Fällen impliziert aber die Vorstellung einer Bedingung, dass das Pfandrecht des Maevius nach dem Willen der Parteien erst dann wirksam werden soll, wenn das Pfandrecht des Titius erlischt.
Hinter der traditionellen Auffassung vom bedingten Pfandrecht steht wohl folgende Gaius-Stelle, in der es ebenfalls um das Verhältnis zweier Pfandrechte geht:
D. 20.1.15.2 Gai. sing. de form. hypoth.
Qui res suas iam obligaverint et alii secundo obligant creditori, ut effugiant periculum, quod solent pati qui saepius easdem res obligant, praedicere solent alii nulli rem obligatam esse quam forte Lucio Titio, ut in id quod excedit priorem obligationem res sit obligata, ut sit pignori hypothecaeve id quod pluris est8: aut solidum, cum primo debito liberata res fuerit. de quo videndum est, utrum hoc ita se habeat, si et conveniat, an et si simpliciter convenerit de eo quod excedit ut sit hypothecae? et solida res inesse conventioni videtur, cum a primo creditore fuerit liberata, an adhuc pars? sed illud magis est, quod prius diximus.
Wenn zwei Pfandrechte bestellt sind, sieht Gaius im Rahmen des zweiten Pfandrechts das superfluum als verpfändet an, also den Überschuss, der beim Verkauf des Pfandgegenstandes über die Forderung des ersten Gläubigers hinaus erzielt wird. Gaius stellt auch die Anschlussfrage, was hinsichtlich des Haftungsumfangs gelten soll, wenn das erste Pfandrecht wegfällt. Denkbar wäre, dass mit dem Wegfall des ersten Pfandrechts nun die ganze Sache für das zweite Pfandrecht haftet, was ein Aufrücken des zweiten Pfandrechts in die Rechtsstellung des ersten bedeuten würde. Nach Gaius' Ansicht (sed illud magis est, quod prius diximus) ändert der Wegfall des ersten Pfandrechts grundsätzlich nichts am beschränkten Haftungsumfang des zweiten Pfandrechts. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn die Parteien tatsächlich vereinbart haben, dass sich das zweite Pfandrecht mit dem Wegfall des ersten auf den gesamten Wert der Sache erstrecken soll. Im Fall einer solchen Vereinbarung kommt man in der Tat zu einer aufschiebenden Bedingung: Der Wegfall des ersten Pfandrechts ist die von den Parteien vereinbarte Bedingung für die Haftungserweiterung.
Will man den Gedanken eines aufschiebend bedingten Pfandrechts auf unsere Digestenstelle (fr. 9.3) übertragen, muss man zunächst sehen, dass in der Stelle von einer bedingten Bestellung des Pfandrechts des Maevius keine Rede ist. Der Ausdruck post Maevio meint nur die zeitliche Abfolge, bietet aber keine ausreichende Grundlage dafür, eine bedingte Bestellung des Pfandrechts des Maevius anzunehmen9. Dagegen geht aus der Gaius-Stelle ganz klar hervor, dass die zweite Verpfändung nur insoweit erfolgen soll, als nicht das erste Pfandrecht Platz greift. Es spricht daher alles dafür, dass das Pfandrecht des Maevius in fr. 9.3 unbedingt bestellt worden ist. Möglicherweise hat Maevius vom Pfandrecht des Titius nicht einmal etwas gewusst. Dass es derartige Fälle einer verdeckten Doppelverpfändung durchaus gab, legt der Hinweis auf die „Gefahr, die denjenigen droht, die mehrmals dieselben Sachen verpfänden" (periculum, quod solent pati qui saepius easdem res obligant) in der Gaius-Stelle nahe. Gemeint ist eine mögliche Bestrafung wegen betrügerischen Handelns (stellionatus), wenn gegenüber dem zweiten Pfandgläubiger das erste Pfandrecht nicht offengelegt wird10.
Hinzu kommt, dass selbst dann, wenn man in fr. 9.3 eine aufschiebend bedingte Bestellung des Pfandrechts des Maevius annehmen würde, sich die Entscheidung Julians damit nicht erklären ließe11. Bereits im römischen Recht galt der Grundsatz, dass derjenige, der ein Recht aufschiebend bedingt erworben hat, vor Zwischenverfügungen geschützt ist12. Das zeigt etwa folgende Stelle, in der es darum geht, dass ein Sklave durch Vindikationslegat unter einer aufschiebenden Bedingung vermacht ist:
D. 30.69.1 Gai. 2 de leg. ad ed. praet.
Si servum sub condicione legatum heres alienaverit, deinde condicio exstiterit, potest nihilo minus a legatario vindicari nec extinguitur legatum.
Veräußert der Erbe den Sklaven vor dem Bedingungseintritt, wird der Vermächtnisnehmer hierdurch nicht beeinträchtigt. Aufgrund des aufschiebend bedingten Vindikationslegats ist der Vermächtnisnehmer gegen Zwischenverfügungen geschützt.
Nimmt man in unserem Fall eine aufschiebend bedingte Bestellung des Pfandrechts des Maevius an, so stellt die Veräußerung des Grundstücks an den Ehemann eine Zwischenverfügung dar, die dem aufschiebend bedingten Pfandrecht des Maevius nichts anhaben dürfte13. Die Begründung, die Julian für seine Entscheidung gibt, nämlich dass das Grundstück weder im Zeitpunkt der Bestellung des Pfandrechts noch im Zeitpunkt der Zahlung an Titius im Eigentum der Titia stand, wäre nicht nachvollziehbar. Bei einer aufschiebend bedingten Verfügung kommt es auf die Berechtigung zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts gerade nicht mehr an. Das Pfandrecht des Maevius wäre als aufschiebend bedingtes Pfandrecht zusammen mit dem Pfandrecht des Titius bereits in dem Zeitpunkt konvalesziert, als Titia das Eigentum am Grundstück erwarb. In fr. 9.3 heißt es aber, dass es keinen Zeitpunkt (nullum tempus) gebe, zu dem das Pfandrecht des Maevius habe konvaleszieren können. Implizit wird damit auch gesagt, dass eine Konvaleszenz zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs der Titia nicht in Betracht kommt.
Daraus, dass Julian hier auf zwei Zeitpunkte abhebt, nämlich auf den der Pfandrechtsbestellung für Maevius und den der Zahlung an Titius, und feststellt, dass Titia zu keinem dieser beiden Zeitpunkte bonitarische Eigentümerin war (neque ... neque), kann nicht etwa im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass es Julian als ausreichend angesehen hätte, wenn Titia zumindest bei der Bestellung der beiden Pfandrechte Berechtigte gewesen wäre14. Auf diese Weise käme man zwar in der Tat zu einer grundsätzlichen Anerkennung eines aufschiebend bedingten Pfandrechts des Zweitpfandgläubigers; jedoch würde das letztlich dazu führen, dass man Julian eine unrichtige Anwendung der Konvaleszenzregeln unterstellen müsste. Wäre nämlich das bonitarische Eigentum zum Zeitpunkt der Zweifachverpfändung für das spätere Wirksamwerden des Zweitpfandrechts ausreichend, so hätte es in unserem Fall der Zweifachverpfändung der nichtberechtigten Titia gerade zur Konvaleszenz des Pfandrechts des Maevius kommen müssen. Mit dem Erwerb des bonitarischen Eigentums durch Titia hätte nicht nur das Pfandrecht des Titius als unbedingtes Pfandrecht, sondern auch das Pfandrecht des Maevius als aufschiebend bedingtes Pfandrecht erstarken müssen, und zwar unabhängig von Titias nachfolgender Zwischenverfügung an ihren Ehemann. Dass Julian die zu seiner Zeit bereits ohne weiteres anerkannten Regeln der Konvaleszenz verkannt hätte, wird man kaum annehmen dürfen. Letztlich führt der Ansatz eines aufschiebend bedingten Pfandrechts daher nicht zu einer sinnvollen Lösung.
Die Entscheidung Julians lässt sich, wie Schanbacher zu Recht annimmt, nur dann erklären, wenn man davon ausgeht, dass das Pfandrecht des Titius dazu führt, dass das Pfandrecht des Maevius aus der Sicht Julians überhaupt nicht entstehen konnte15. Mit anderen Worten: Für Julian gab es keine Mehrheit von Pfandrechten an ein und derselben Sache. Eine Sache konnte immer nur einmal verpfändet werden. Die Konkurrenz mehrerer Pfandrechte, die in einem Rangverhältnis zueinander stehen, war von Julian noch nicht anerkannt, und zwar auch nicht in Form eines aufschiebend bedingten Zweitpfandrechts neben einem unbedingten Erstpfandrecht. Darin liegt vermutlich eine Nachwirkung des älteren römischen Rechts16: Das Pfandrecht wurde wohl ursprünglich - vergleichbar mit derfiducia - als eigentumsähnliches Zugriffsrecht verstanden. Die Pfandrechtsbestellung hatte folglich ähnliche Wirkungen wie eine Eigentumsübertragung, so dass der Eigentümer aufgrund der ersten Pfandrechtsbestellung zum Nichtberechtigten wurde und somit kein weiteres Pfandrecht bestellen konnte.
Bei Zugrundelegung dieser Sichtweise wird klar, dass der Eigentumserwerb der Titia nur zur Konvaleszenz des Pfandrechts des Titius, nicht dagegen des Pfandrechts des Maevius führen konnte. Mit der Konvaleszenz des Pfandrechts des Titius ist Titia insoweit, das heißt, was die Fähigkeit zur Pfandrechtsbestellung betrifft, sofort wieder Nichtberechtigte geworden, weshalb es für die Konvaleszenz des Pfandrechts des Maevius an der Berechtigung der Titia fehlt. Bezogen auf die in der Klagformel der actio Serviana genannten Voraussetzungen für eine wirksame Verpfändung kann die Nichtberechtigung der Titia - wie Schanbacher richtig entwickelt hat - nur dazu führen, dass es an dem erforderliche in bonis esse der Pfandsache fehlt17. Eine andere Klagvoraussetzung, an der man die fehlende Berechtigung der Titia, die aufgrund der Verpfändung an Titius eintrat, festmachen könnte, kommt nicht in Betracht. Man muss daher in der Tat davon ausgehen, dass sich aus der Sicht Julians die Pfandsache aufgrund der Konvaleszenz des Pfandrechts des Titius - bezogen auf eine weitere Verpfändung -nicht mehr in bonis der Titia befand18.
Da sich das Pfandrecht des Titius und das des Maevius gegenseitig ausschließen, geht es bei den von Titia vorgenommenen Verpfändungen um zwei miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen. Entsprechend dem Prioritätsprinzip konvalesziert in einem solchen Fall, wenn der nichtberechtigt Verfügende später zum Berechtigten wird, nur die erste Verfügung, hier also die Verpfändung an Titius19. Für das Pfandrecht des Maevius ist daher - wenn man sich auf den Standpunkt Julians stellt - eine zweifache Konvaleszenz erforderlich: Titia muss zum einen Eigentum am Grundstück erwerben, was zunächst geschehen ist. Zum anderen muss aber auch das Pfandrecht des Titius wegfallen. Erst damit erlangt Titia wieder die Berechtigung zur erneuten Bestellung eines Pfandrechts. Laut fr. 9.3 kommt es in unserem Fall nie zu der erforderlichen zweiten Stufe der Konvaleszenz, denn zu dem Zeitpunkt, als das Pfandrecht des Titius wegfällt, ist Titia nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks. Sie hat das Grundstück zwischenzeitlich an ihren Ehemann als Mitgift übereignet.
Da es sich um eine dos aestimata handelt, musste an Titia im Fall der Beendigung der Ehe nicht das Grundstück als solches zurückübereignet werden, sondern der hierfür festgelegte Schätzwert bezahlt werden20. Dieser Umstand hat für die Frage der Pfandrechtskonvaleszenz wohl keine Bedeutung21; es handelt sich wahrscheinlich um ein zufälliges Detail des von Julian konkret zu entscheidenden Falles22.
Die Vorstellung, dass es an einer Sache immer nur ein Pfandrecht gibt, findet sich im Übrigen nicht nur bei Julian, sondern auch in der bereits angesprochenen Gaius-Stelle D. 20.1.15.223. Das ist der Grund, weshalb Gaius nicht etwa ein zweitrangiges Pfandrecht annimmt, sondern sich als Hilfskonstruktion der Verpfändung des superfluum und der aufschiebend bedingten Haftungserweiterung des bestellten Pfandrechts bedient. Erstmals anerkannt wird eine wirksame Mehrfachverpfändung durch den Hochklassiker Marcellus, der - um das Rangverhältnis mehrerer Pfandgläubiger zu klären - auf die exceptio rei sibi ante pigneratae abstellt, also auf die zeitliche Reihenfolge der Verpfändungen24: Erhebt der spätere Pfandgläubiger gegen den früheren die actio Serviana, kann sich letzterer mit Hilfe der exceptio rei sibi ante pigneratae erfolgreich verteidigen. Dieser Standpunkt setzt sich in der Folgezeit durch, wie sich auch bei dem spätklassischen Juristen Marcian zeigt, der wie Marcellus mit der exceptio rei sibi ante pigneratae operiert und zudem, wenn es um die Erhebung der actio Serviana durch den früheren Pfandgläubiger gegen den späteren geht, gegenüber der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verpfändung dem Kläger die replicatio rei sibi ante pigneratae gewährt25. Seit Marcellus wird von den römischen Juristen also akzeptiert, dass mehrere Pfandrechte nebeneinander existieren, die zueinander in einem Rangverhältnis stehen. Das bedeutet, dass die Vorstellung des Pfandrechts als Abspaltung vom Eigentum nunmehr verfeinert worden ist. Es gibt nicht mehr die Vorstellung, dass ein Pfandrecht als Abspaltung vom dinglichen Vollrecht nur ein einziges Mal wirksam bestellt werden kann. Vielmehr sind im Eigentum nun beliebig viele Pfandrechte enthalten, die jeweils unterschiedliche Rangstellen einnehmen. Die Anerkennung der Mehrfachverpfändung bedeutet also zwangsläufig die Anerkennung eines Ranges von beschränkten dinglichen Rechten.
Im Schlusssatz von fr. 9.3 (haec tamen ita ...) findet sich die Einschränkung, dass das gefundene Ergebnis, nämlich die Ablehnung der Konvaleszenz des Pfandrechts des Maevius, nur dann gelten soll, wenn der Ehemann gutgläubig ist. Nach überwiegender Ansicht handelt es sich hierbei um eine Interpolation26. In der Tat scheint hinter der Einschränkung der Gedanke eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten zu stehen, der mit dem dogmatischen System des römischen Rechts nicht übereinstimmt27. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der Satz interpoliert sein muss. Es kann sich durchaus um eine Korrektur des Ergebnisses aus Billigkeitsgründen handeln, die sich nicht an dogmatischen Vorgaben messen lässt. Daher erscheint es nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem im Indikativ gehaltenen Schlusssatz um eine kritische Anmerkung Afrikans zur Entscheidung seines Lehrers Julian handelt28.
Das gilt umso mehr, als die Entscheidung Julians, nämlich die Ablehnung einer Konvaleszenz des Pfandrechts des Maevius, auch heute in der Literatur zum Teil heftig kritisiert wird29. Wieling bezeichnet die Entscheidung Julians als „inkonsequent"30. Es sei wahrscheinlich, dass Julians Entscheidung, die den Ehemann und damit, da es um die dos geht, indirekt auch die Titia als Ehefrau schütze, durch den favor dotis beeinflusst sei31. Dagegen spricht allerdings, dass es im konkreten Fall um eine dos aestimata geht, so dass die actio de dote ohnehin nicht auf Rückübertragung des Grundstückseigentums, sondern auf Zahlung des festgelegten Schätzbetrags gerichtet war32. Besonders scharf geht Wacke mit Julian ins Gericht33: Die Bevorzugung des Ehemannes vor dem zweiten Pfandgläubiger stelle eine „Verletzung des Prioritätsprinzips" dar und sei „eklatant unbillig". Julian hätte - so Wacke34 - den Gedanken, dass bei einer wirksamen Verpfändung die spätere Eigentumsübertragung das Pfandrecht nicht mehr berührt, auf das Pfandrecht des Maevius entsprechend anwenden müssen. Julian werde zwar zu Recht als einer der größten klassischen Juristen angesehen; den konkreten Fall habe er aber „nicht zu Ende gedacht"35.
2. Vergleich mit dem gemeinen und dem geltenden Recht: pfandrecht und Nießbrauch
Die Kritik an Julian soll hier nicht im Einzelnen weiterverfolgt werden. Vielmehr soll im Folgenden überlegt werden, ob man ohne die Anerkennung einer Mehrfachverpfändung, also ohne unser heutiges System des Ranges von Pfandrechten, tatsächlich zu einer anderen Lösung als der von Julian vertretenen kommen kann. Dazu soll, um Abstand von unserer Afrikan- bzw. Julianstelle zu bekommen und um das gesamte Instrumentarium der modernen Dogmatik nutzen zu können, der Fall ins gemeine und ins geltende Recht übersetzt und auch demgemäß gelöst werden. Im Anschluss daran sollen die Erkenntnisse nach Möglichkeit auf das klassische römische Recht zurückübertragen werden.
2.1 Pfandrecht
Zunächst soll, was das geltende Recht betrifft, folgender Vergleichsfall zum Pfandrecht betrachtet werden36, der jedoch - wie sich sogleich zeigen wird - im Hinblick auf das von Julian zu lösende Problem im Ergebnis nicht weiterhilft:
Titia hat eine goldene Uhr des Seius im Besitz, die dem Seius abhanden gekommen ist. Sie verpfändet sie an Titius und nimmt sie ihm heimlich wieder weg. Jetzt verpfändet sie die Uhr an Maevius. Daraufhin beerbt sie Seius und schenkt die Uhr unter Abtretung des Herausgabeanspruches ihrem Ehemann. Erst danach zahlt Titia ihre Schuld an Titius. Ist das Pfandrecht des Maevius konvalesziert? Welchen Rang nimmt es ein?
Um einen möglichst weitgehenden Vergleich zu ermöglichen, ist der Sachverhalt so gebildet, dass der im geltenden Recht vorgesehene gutgläubige lastenfreie Erwerb (§ 936 BGB) ausgeschlossen ist. Das wird dadurch erreicht, dass die Pfandsache mehrmals abhanden gekommen ist. Das Abhandenkommen schließt nach § 935 BGB den gutgläubigen Erwerb aus. Bei der Lösung ist zu beachten, dass es - anders als noch für Julian - heute mehrere Pfandrechte an ein und derselben Sache gibt und dass zwischen den Pfandrechten ein Rangverhältnis besteht.
Die Verpfändung der goldenen Uhr durch Titia an Titius ist zunächst nach §§ 1207, 935 BGB unwirksam, da die Uhr dem Eigentümer Seius abhanden gekommen ist. Gleiches gilt für die Verpfändung der Uhr an Maevius. Mit dem späteren Eigentumserwerb der Titia, die zur Erbin des Seius wird, kommt es zur Konvaleszenz nach § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB, und zwar sowohl hinsichtlich des Pfandrechts des Titius als auch desjenigen des Maevius. Das Pfandrecht des Maevius nimmt gegenüber dem des Titius allerdings den zweiten Rang ein. Das ergibt sich aus dem Prioritätsprinzip, das in § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommt: Bei mehreren sich widersprechenden Verfügungen wird nach dieser Vorschrift nur die frühere Verfügung wirksam. Das Rangverhältnis der Pfandrechte lässt sich damit unmittelbar aus § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB ableiten: Ein Widerspruch zwischen zwei Verpfändungen ein und desselben Gegenstandes ist nur ausgeschlossen, wenn die erste Verpfändung der zweiten vorgeht37. Das Pfandrecht des Titius nimmt daher den ersten, das des Maevius den zweiten Rang ein.
Obwohl es in § 185 BGB - anders als in § 161 Abs. 3 BGB - an einem Verweis auf die Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten fehlt, müssen diese Vorschriften gleichwohl auch im Rahmen des § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB herangezogen werden. Das bedeutet, dass Maevius, wenn die Pfandsache nicht auch dem ersten Pfandgläubiger Titius abhanden gekommen wäre, gutgläubig den Vorrang gegenüber Titius erworben hätte. Das ergibt sich aus § 1208 BGB, der einen gutgläubigen Erwerb des Vorrangs ermöglicht. Diese Vorschrift ist, obwohl das im Gesetz nicht gesagt wird und - soweit ersichtlich - auch in der Literatur nicht gesehen wird, auch im Rahmen des § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB heranzuziehen.
Die Übereignung der Uhr durch Titia an ihren Ehemann erfolgt nach § 931 BGB, also durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen Maevius. Dabei kommt es nicht zu einem gutgläubigen lastenfreien Erwerb durch Titias Ehemann; nach § 936 Abs. 3 BGB bleibt das Pfandrecht des Maevius vielmehr bestehen. Dagegen hilft im Hinblick auf das Pfandrecht des Titius § 936 Abs. 3 BGB nicht weiter. Auch insofern findet aber kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb des Ehemannes statt, weil Titius die Pfandsache abhanden gekommen ist. § 935 BGB muss im Rahmen des § 936 BGB entsprechend angewendet werden. Der fehlende Verweis in § 936 BGB auf die Vorschrift des § 935 BGB stellt ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers dar38. Mit der Zahlung an Titius erlischt dessen Pfandrecht und das Pfandrecht des Maevius rückt auf, so dass es nunmehr die erste Rangstelle einnimmt.
Aufgrund der heutigen Anerkennung der Mehrfachverpfändung stellt sich in dem Vergleichsfall daher kein Problem hinsichtlich der Konvaleszenz des Pfandrechts des Maevius. Die Konvaleszenz tritt vielmehr - wie gezeigt - ohne weiteres mit dem Eigentumserwerb der Titia ein.
2.2 Nießbrauch
Um zu einer Annäherung an das von Julian zu lösende Problem zu kommen, ist es erforderlich, einbeschränktes dingliches Recht zuwählen, bei dem eine Mehrfachbestellung ausgeschlossen ist. In Betracht kommt hier der Nießbrauch, den auch der Gesetzgeber des BGB, anders als etwa die Grunddienstbarkeiten und die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten, als ausschließliches Recht angesehen hat39. Noch in den Motiven zum ersten Entwurf des BGB heißt es, dass „immer nur von e i n e m Nießbrauche die Rede sein" könne40. Dennoch ist heute auch beim Nießbrauch eine Mehrfachbestellung möglich, wie § 1060 BGB zeigt, der das Zusammentreffen gleichrangiger Nießbrauchsrechte regelt41. Dagegen war die Vorstellung, dass der Nießbrauch als umfassendes Nutzungsrecht nur ein einziges Mal an ein und derselben Sache bestellt werden kann42, noch im 19. Jh. für das gemeine Recht maßgebend43. Der Ausschluss einer Mehrfachbestellung des Nießbrauchs ergab sich insbesondere daraus, dass der Eigentümer nach Bestellung des Nießbrauchs die Sache nicht mehr mit beschränkten dinglichen Rechten, insbesondere Dienstbarkeiten, belasten konnte, die sich nachteilig auf den Nießbrauch auswirken würden44.
Der Vergleichsfall zum gemeinen Recht soll daher so gebildet werden, dass Titia an dem ihr nicht gehörenden Grundstück zuerst für Titius, dann für Maevius einen Nießbrauch bestellt. Sobald Titia das Eigentum am Grundstück erwirbt, konvalesziert der Nießbrauch des Titius. Dagegen kann eine Konvaleszenz des Nießbrauchs des Maevius zu diesem Zeitpunkt nicht stattfinden. Sobald es zur Entstehung des Nießbrauchs des Titius gekommen ist, ist Titia insoweit - das heißt, was eine weitere Nießbrauchsbestellung betrifft - zur Nichtberechtigten geworden. Übertragen in die Terminologie des klassischen römischen Rechts bedeutet das: Der Nießbrauch befindet sich aufgrund der Konvaleszenz bei Titius, so dass sich das Grundstück, was die Berechtigung zu einer (weiteren) Nießbrauchsbestellung betrifft, nicht mehr in bonis der Titia befindet. Erst dann, wenn Titius stirbt oder der Nießbrauch des Titius in sonstiger Weise erlischt, erlangt Titia wieder die Berechtigung, ein weiteres Mal einen Nießbrauch zu bestellen. Mit dem Erlöschen des Nießbrauchs des Titius kommt es wieder zum Erstarken des Eigentums, so dass erst dann eine Konvaleszenz des Nießbrauchs des Maevius in Betracht kommt.
Allerdings ist Titia aufgrund der Verfügung an ihren Ehemann zum Zeitpunkt des Erlöschens des Nießbrauchs des Titius nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks. Das Eigentum erstarkt zwar, es handelt sich aber jetzt um das Eigentum des Ehemannes. Die Voraussetzungen der Konvaleszenz sind damit - zumindest auf den ersten Blick - nicht erfüllt: Es ist nicht der Verfügende, der nachträglich zum Berechtigten wird, sondern eine andere Person. Das Eigentum erstarkt beim Ehemann der Titia, dieser hat aber nicht als Nichtberechtigter an Maevius verfügt. Auf diese Weise würde man zum selben Ergebnis kommen wie Julian, nämlich zur Ablehnung der Konvaleszenz des beschränkten dinglichen Rechts des Maevius.
Die Untersuchung soll hier aber nicht stehen bleiben, sondern es soll überlegt werden, ob das gefundene (Zwischen-)Ergebnis nicht doch noch zugunsten des Maevius korrigiert werden kann. Freilich kann die Nießbrauchsbestellung durch Titia ihrem Ehemann als Erwerber des Grundstücks nicht einfach zugerechnet werden. Anders als im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge45 tritt der Einzelrechtsnachfolger gerade nicht vollumfänglich in die Rechtsstellung des bisherigen Eigentümers ein. Immerhin denkbar wäre der Rückgriff auf die Rechtsfigur des Anwartschaftsrechts: Das Grundstückseigentum der Titia war zwar aufgrund der Konvaleszenz des Nießbrauchs des Titius von Anfang an mit einem beschränkten dinglichen Recht belastet; zugleich mit der Konvaleszenz des Nießbrauchs kommt Titia aber auch eine Anwartschaft auf spätere Erlangung des lastenfreien Eigentums zu, sobald der Nießbrauch des Titius - etwa mit dessen Tod - erlischt. Diese Anwartschaft könnte Titia auf Maevius übertragen haben, und zwar zunächst als Nichtberechtigte, was aber dazu führt, dass die Anwartschaft mit dem Eigentumserwerb der Titia bei Maevius konvalesziert. Mit dem Erlöschen des Nießbrauchs des Titius würde dann das Anwartschaftsrecht des Maevius zum Vollrecht erstarken. Dieser Ansatz entspricht wohl am ehesten dem Vorschlag Wackes, der - bezogen auf den Julian-Fall-für eine entsprechende Anwendung des Konvaleszenzgedankens plädiert, so dass die Verpfänderin durch die nachträgliche Eigentumsübertragung dem zweiten Gläubiger sein „Anrecht auf ein Pfand" nicht entziehen könne46.
Im Folgenden wird sich jedoch zeigen, dass ein Rückgriff auf die Hilfskonstruktion des Anwartschaftsrechts gar nicht erforderlich ist. Bei genauer Betrachtung handelt es sich nämlich nicht nur bei der Bestellung des Nießbrauchs zugunsten des Titius und anschließend zugunsten des Maevius um Verfügungen einer Nichtberechtigten. Vielmehr hat Titia auch bei der Eigentumsübertragung an ihren Ehemann als Nichtberechtigte verfügt; genauer: Es handelt sich bei der Verfügung der Titia an ihren Ehemann zumindest teilweise um die Verfügung einer Nichtberechtigten. Da aufgrund des Eigentumserwerbs der Titia der Nießbrauch zugunsten des Titius wirksam zur Entstehung gekommen ist, befand sich bei Titia nur das Eigentum unter Abzug des Nießbrauchs. Titia war also nur Eigentümerin unter Abzug des Nießbrauchs, hatte also Eigentum detracto usufructu47. Der Nießbrauch als Abspaltung vom Eigentum befindet sich ja bei Titius. Man kann Titia daher als „Insoweit-Nichtberechtigte" bezeichnen. Sie hat an ihren Ehemann in Bezug auf den bei Titius befindlichen Nießbrauch als „Insoweit-Nichtberechtigte" verfügt. Das Erstarken des Eigentums des Ehemannes mit dem Erlöschen des Nießbrauchs des Titius ist daher ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Konvaleszenz zu beurteilen. Insoweit, als es um den bei Titius befindlichen Nießbrauch geht, hat Titia an ihren Ehemann genauso als Nichtberechtigte verfügt, wie sie auch an Maevius als Nichtberechtigte verfügt hat. Damit gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass es bei der Nießbrauchsbestellung zugunsten des Maevius und der anschließenden Übereignung an den Ehemann, soweit es um die Position des Nießbrauchs als Abspaltung des Eigentums geht, um miteinander nicht im Einklang stehende Verfügungen geht. Im Wege der Konvaleszenz wird daher nur der Nießbrauch des Maevius als zeitlich frühere Verfügung wirksam. Ein lastenfreier Erwerb des Ehemannes findet dagegen nicht statt.
3. Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Afrikan- bzw. Julian-Stelle
Überträgt man die zum Nießbrauch angestellten Überlegungen auf die Afrikan- bzw. Julianstelle (fr. 9.3), so ergibt sich Folgendes: Auch Julian hätte, wenn er das Pfandrecht konsequent als Abspaltung des Eigentums betrachtet hätte, mit den ihm bekannten Mitteln des römischen Rechts zu einem wirksamen Pfandrecht des Maevius gelangen können. Titia hat in Wirklichkeit auch an ihren Ehemann als Nichtberechtigte verfügt, weil sie zum Zeitpunkt der Übereignung nicht unbelastetes Eigentum hatte. Es geht in fr. 9.3 daher- bei genauer Betrachtung - nicht nur um eine zweifache Konvaleszenz bezüglich der beiden Pfandrechte, sondern um die Frage einer dreifachen Konvaleszenz. Freilich muss man einräumen, dass auch heute nicht immer präzise gesehen wird, dass der Eigentümer dann, wenn beschränkte dingliche Rechte Dritter bestehen, insoweit Nichtberechtigter ist. So wird etwa zum Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB vertreten, dass sich dieser nicht nur gegen den Buchberechtigten, sondern bisweilen auch gegen den wahren Berechtigten richten könne; so sei zum Beispiel bei versehentlicher Löschung einer Grundschuld der „Eigentümer (also der wahre Berechtigte) von der Berichtigung betroffen"48. Das trifft in Wirklichkeit so nicht zu, denn wenn ein beschränktes dingliches Recht zu Unrecht gelöscht worden ist, ist der Eigentümer insoweit, als das unrichtige Grundbuch nun sein lastenfreies Eigentum ausweist, Nichtberechtigter. Der Eigentümer hat in Wahrheit kein lastenfreies Eigentum, sondern nur Eigentum, das mit einem beschränkten dinglichen Recht belastet ist.
Der - wenn man es so nennen will - Fehler Julians ist also auch noch heute anzutreffen. Vor allem aber muss man sich fragen, ob die Übertragung des modernen dogmatischen Systems auf das römische Recht überhaupt historisch zulässig ist und nicht schlicht als Anachronismus abzulehnen ist. Wir werden Julian keine guten Ratschläge mehr erteilen können und müssen akzeptieren, dass es zum einen eine Entwicklungsstufe des Pfandrechts gab, in der eine Mehrfachbestellung von Pfandrechten noch nicht möglich war; zum anderen müssen wir auch akzeptieren, dass unsere heutige Vorstellung von den beschränkten dinglichen Rechten als Abspaltung des Eigentumsrechts zwar auf das römische Recht zurückgeht, dort aber noch nicht in der Weise und der Vollständigkeit entwickelt war wie heute.
1 Siehe nur Kaser, Das römische Privatrecht I, 2. Aufl. 1971, 340.
2 Zum Vergleich der dos aestimata mit dem Kauf siehe Kaser (Fn. 1), 34041.
3 Schanbacher, Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987, 21ff.
4 Lenel, Edictum perpetuum, 3. Aufl. 1927, 494f. (§ 267); vgl. auch Mantovani, Le formule del processo privato romano, 2. Aufl. 1999, 45 (Nr. 13). [ Links ]
5 Siehe D. 13.7.41 Paul. 3 quaest.; C. 8.15.5 (Diocl. et Maxim., 286 n. Chr.); vgl. auch D. 20.1.22 Mod. 7 diff. Hierzu Schanbacher (Fn. 3), 113ff., 116; Wacke, Die Konvaleszenz von Pfandrechten nach römischem Recht, SZ 115 (1998) 438, 444; Braukmann, Das Pfandrecht unter dem Einfluß der vorklassischen und klassischen Tradition der römischen Rechtswissenschaft, 2008, 80ff. [ Links ]
6 Siehe D. 50.17.54 Ulp. 46 ad ed.: Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet.
7 So bereits die Glosse post Maevio ad h.l.: non simpliciter, sed ita, cum Titio desierit esse obligatum. Im Sinne einer aufschiebend bedingten Verpfändung auch Dernburg, Das Pfandrecht nach den Grundsätzen des heutigen römischen Rechts I, 1860, 264f.; Koschaker, Ein Beitrag zur Lehre vom Nachpfandrecht und vom bedingten Rechtsgeschäft, in: Scritti in onore di Contardo Ferrini III, 1948, 231, 233, 241f., 245; Miquel, El rango hipotecario en el derecho romano clasico, AHDE 29 (1959) 229, 250; Kaser, Über mehrfache Verpfändung im römischen Recht, in: Studi in onore di Giuseppe Grosso I, 1968, 26, 34ff (= Ausgewählte Schriften II, 1976, 169, 178ff.); ders. (Fn. 1), 467 m.41; Schlichting, Die Verfügungsbeschränkung des Verpfänders, 1973, 45; Wieling, Pfandrecht, Mitgift, Exegese von Afr. (8 quaest.) D. 20.4.9.3, in: Sturm, Römisches Recht, 1977, 78, 817; Wacke, Prozeßformel und Beweislast im Pfandrechtsprätendentenstreit, TR 37 (1969) 369, 3704; ders. (Fn. 5), 459; Potjewijd, Beschikkingsbevoegdheid, bekrachtiging en convalescentie, 1998, 98f., 203ff.; Ankum, Rez. zuPotjewijd, Beschikkingsbevoegdheid, bekrachtiging en convalescentie, SZ 118 (2001) 442, 453; Krämer, Das besitzlose Pfandrecht, 2002, 1817. Siehe auch die Nachweise bei Schanbacher (Fn. 3),2372.
8 Zur Frage, ob ut sit pignori hypothecaeve id quod pluris est als Glossem einzuordnen ist, siehe Miquel (Fn. 7), 257; Kaser (Fn. 7), 41 49 (= Ausgewählte Schriften II, 1976, 18549).
9 Vgl. Schanbacher (Fn. 3), 39.
10 Vgl. Paul. D. 13.7.16.1; Ulp. D. 13.7.36.1; hierzu Schanbacher (Fn. 3), 42f.
11 Vgl. Schlichting (Fn. 7), 49f.; Wieling (Fn. 7), 82; Wacke (Fn. 5), 459f.; Koschaker (Fn. 7), 248f.; Potjewijd (Fn. 7), 203ff.; Ankum (Fn. 7), 453.
12 Siehe nur Kaser (Fn. 1), 255. Heute ist der Schutz vor Zwischenverfügungen in § 161 Abs. 1 BGB geregelt.
13 Schanbacher (Fn. 3), 39, der annimmt, dass nur eine unbedingte Verpfändung den Pfandnehmer vor Zwischenverfügungen des Verpfänders hätte schützen können. In diesem Sinne auch Koschaker (Fn. 7), 246ff.
14 So aber etwa Dernburg (Fn. 7), 265; Schlichting (Fn. 7), 53. Vgl. auch Wieling (Fn. 7), 82, der es für möglich hält, dass Julian ein besonderes Problem gerade darin sah, dass „bedingte Verfügung und ein Mangel an der Berechtigung" hier zusammentrafen.
15 Schanbacher (Fn. 3), 29ff., 38.
16 Siehe Kaser (Fn. 1), 467 m.40 mit Nachweisen.
17 Schanbacher (Fn. 3), 38ff., 41f.
18 Ablehnend jedoch Ankum/Pool, Rem in bonis meis esse and rem in bonis meam esse, Traces of the Development of Roman Double Ownership, in: New Perspectives in the Roman Law of Property, Essays for Barry Nicholas, 1989, 5, 19f.86; Wacke (Fn. 5), 45766; Krämer (Fn. 7), 370.
19 Zur Frage der Konvaleszenz bei miteinander nicht in Einklang stehenden Verfügungen siehe heute § 185 Abs. 2 Satz 2 BGB.
20 Siehe oben bei Fn. 1f.
21 Schanbacher (Fn. 3), 73ff., der es im Fall einer einfachen Mitgiftbestellung ohne aestimatio für möglich hält, dass der Ehemann bei bloßer traditio des Grundstücks nicht ohne weiteres bonitarisches Eigentum aufgrund des Titels pro dote erhalten habe. Zum Teil werden die Erwähnung der dos aestimata und der Satz, dass der Ehemann die Rechtsstellung eines Käufers einnimmt (in proposito autem maritus emptoris loco est), auch als interpoliert angesehen; so z.B. Koschaker (Fn. 7), 231f.; Miquel (Fn. 7), 248f.; Kaser, In bonis esse, SZ 78 (1961) 47035; Wieling (Fn. 7), 81.
22 So Schlichting (Fn. 7), 43. Auch Wubbe, Res aliena pignori data, 1960, 118106, hält den Umstand, dass es sich um eine dos aestimata handelt, nicht für entscheidungsrelevant.
23 Vgl. Schanbacher (Fn. 3), 36143 mit Nachweisen.
24 Marcell. D. 44.2.19.
25 Marci. D. 20.4.12 pr.
26 Rabel, Grundzüge des römischen Privatrechts, 2. Aufl. 1955, 1615; Biscardi, Il dogma della collisione alla luce del diritto romano, 1935, 67; Koschaker (Fn. 7), 250ff.; Miquel (Fn. 7), 247; Kaser (Fn. 21), 47035; ders. (Fn. 7), 3632 (= Ausgewählte Schriften II, 18032); Wieling (Fn. 7), 83; Schanbach(Fn. 3), 27ff.
27 Oben bei Fn. 6.
28 So auch Wacke (Fn. 5), 457f.; vgl. auch schon ders., Ein Verfügungsverbot des römischen Verpfänders?(Zur dinglichen Wirkung der Verwertungsermächtigung), Iura 24 (1973/77) 184, 191f.; Ankum (Fn.7), 453f.28.
29 Siehe schon die Kritik von Westphal, Versuch einer systematischen Erläuterung der sämtlichen Römischen Gesetze vom Pfandrechte, 17912, 251188: „Die Stelle ... enthält eine Meinung, die wider alle rechtlichen Grundsätze anstößt"; Afrikan, so Westphal, habe „ohne alle Entschuldigung gestrauchelt"; auch schon Cujas, Opera omnia I, Neapoli 1722, 1492 C: sed vitiose, ut videtur, quandoquidem praetermittitur pars una, id est medium tempus. Hierzu Schanbacher (Fn. 3), 38f.
30 Wieling (Fn. 7), 82.
31 Wieling (Fn. 7), 83; zustimmend Wacke (Fn. 5), 456.
32 Siehe oben bei Fn. 1 f., 20.
33 Wacke (Fn. 5), 457.
34 Wacke (Fn. 5), 459f.
35 Wacke (Fn. 5), 460.
36 Der Fall ist dem von Wieling (Fn. 7), 84, entworfenen Vergleichsfall nachgebildet, geht aber darüber hinaus.
37 Vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. 1960, 1246 (§ 204V 2).
38 Noch zutreffend § 869 des ersten Entwurfs zum BGB. Durch die zweite Kommission sollte es insoweit nicht zu einer sachlichen Änderung kommen; vgl. Wieling, Sachenrecht I, 2. Aufl. 2006, 413f. (§ 10 VII 1); Knütel, Die gefirnißten Paneele, JuS 1989, 208, 210f.
39 Motive zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich III, 1896, 493 (= Mugdan [Hrsg.], Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich III, 1899, 275).
40 Motive (Fn. 39), III, 499 (= Mugdan III, 278), Sperrung im Original.
41 Zu einer solchen Nießbrauchskollision kann es etwa dann kommen, wenn zwei Anträge auf Nießbrauchsbestellung gleichzeitig beim Grundbuchamt eingehen (§ 45 Grundbuchordnung); vgl. Pohlmann, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Aufl. 2013, § 1060 Rn. 2.
42 Ohne weiteres möglich ist dagegen - auch aus der Sicht des gemeinen Rechts - die Bestellung des Nießbrauchs an einem ideellen Teil des Grundstücks oder auch die Teilung des Nießbrauchs selbst; vgl. Böcking, Pandekten des römischen Privatrechts aus dem Standpunkte unseres heutigen Rechtssystems I, 2. Aufl. 1853, 26611 (§ 75); Arndts von Arnesberg, Lehrbuch der Pandekten, 14. Aufl. 1889, 331e (§ 178).
43 Böcking, Pandekten des römischen Privatrechts aus dem Standpunkte unseres heutigen Rechtssystems II 1, 1855, 225f. (§ 162, 1 c); vgl. auch Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld IX, 1808, 194ff. (§ 632 II); Puchta, Vorlesungen über das heutige römische Recht I, 3. Aufl. 1852, 351f. (§ 181).
44 Mühlenbruch, Lehrbuch des Pandekten-Rechts II, 1836, 153 (§ 287); Puchta (Fn. 43), 350f. (§ 180); Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht I, 3. Aufl. 1868, 574 (§ 59); Vangerow, Lehrbuch der Pandekten I, 7. Aufl. 1863, 684 (§ 338 Anm. 2.3); Arndts von Arnesberg (Fn. 42), 333f. (§ 179, 3); Baron, Pandekten, 8. Aufl. 1893, 28721 f. (§ 159, 2); Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, 9. Aufl. 1906, 1035f.18 (§ 203). Siehe in diesem Sinne auch §§ 99, 100 I 21 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794.
45 Zu der heute in § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 3 BGB geregelten Variante vgl. die Kontroverse zwischen Paulus und Modestin (D. 13.7.41 Paul. 3 quaest.; D. 20.1.22 Mod. 7 diff.); hierzu Schanbacher (Fn. 3), 122ff.; Wacke (Fn. 5), 445ff.
46 Wacke (Fn. 5), 459f.
47 Zu dem Ausdruck siehe Inst. 2.20.9.
48 Berger, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Aufl. 2011, § 894 Rn. 6.